Digitale Podiumsdiskussion
Green Deal für Europa – Grüner Wiederaufbau nach Corona?

© Erich Dichiser EDM
Der europäische Green Deal ist ein ambitionierter Klimaschutzplan der EU, dessen Umsetzung einige Fragen offen lässt. Was es braucht, damit Europa bis zum Jahr 2050 klimaneutral wird, darüber diskutierten beim Europäischen Abend am ZEW Mannheim die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, der ehemalige EU-Kommissar Günther H. Oettinger sowie Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenabschätzung, und ZEW-Präsident Achim Wambach. Corona-bedingt war nur ein exklusiver Teilnehmerkreis von 30 Gästen vor Ort zugelassen, alle anderen Interessierten konnten die Debatte an den heimischen Bildschirmen über einen Livestream verfolgen. Die Moderation der Podiumsdiskussion übernahm der Journalist Johannes Pennekamp.
Unter dem Motto „Green Deal für Europa – Grüne Transformation nach Corona?“ diskutierten die Teilnehmer/-innen der Paneldiskussion über Wachstumsmöglichkeiten in Europa vor dem Hintergrund der Klimapolitik der EU. Gerade Baden-Württemberg und seine Automobilindustrie stellt der Green Deal vor eine große Herausforderung. „Man sollte sich nicht zu früh festlegen, dass man die richtige Lösung hat“, sagte Theresia Bauer, baden-württembergische Landesministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst. „Wir brauchen Technologieoffenheit und den Mut, die Wissenschaft Lösungen erarbeiten zu lassen.“ Die Landesregierung wolle gemeinsam mit Automobilherstellern und Zulieferern die grüne Transformation anpacken. „Wir müssen auch unsere Hochschullandschaft in Sachen Ingenieursausbildung in rasantem Tempo weiterentwickeln“, so Bauer.
EU-Mitgliedsstaaten beim Klimaschutz zusammenbringen
Der Umweltökonom Ottmar Edenhofer unterstrich den Ehrgeiz der Kommissionspläne: „Der Kohleausstieg, wie er in Deutschland beschlossen wurde, ist durch die Ankündigung von Frau von der Leyen längst Makulatur.“ Er plädierte dafür, die CO2-Bepreisung auszuweiten, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. „Grundsätzlich ist der CO2-Preis deshalb ein hervorragendes Instrument, weil er Anreize setzt, dass diejenigen Emissionen reduzieren, für die es am günstigsten ist. Wer bis 2050 Neutralität herstellen will, kann das nicht mit planwirtschaftlichen Instrumenten machen, sondern muss die Kraft und die Innovationen des Marktes nutzen“, so Edenhofer. Ein weiterer Vorteil der CO2-Bepreisung besteht ihm zufolge darin, dass sie der Politik Einnahmen beschert, um soziale Härten beim Klimaschutz auszugleichen.
ZEW-Präsident Achim Wambach sieht die entscheidende Voraussetzung für den Erfolg des Green Deal, dass die Unternehmen in Europa den Strukturwandel meistern: „Der Großteil der Forschung und Entwicklung findet in den Unternehmen statt. Sie müssen wissen, es lohnt sich zu investieren.“ Zugleich forderte er von der EU funktionsfähige Entscheidungsprozesse ein. „Die Herausforderung wird darin bestehen, die Mitgliedsstaaten zusammenzubringen. Wenn wir es in der EU nicht schaffen, wie soll es uns dann weltweit gelingen?“, so Wambach. Seiner Ansicht nach wird Europa nur dann bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden, wenn bis 2030 auch die USA und China von diesem Weg überzeugt sein werden. „Wenn wir darin scheitern, die Transformation international zu gestalten, dann wird auch die Stimmung in Deutschland kippen. Deshalb müssen wir Strukturen schaffen, die diese internationale Gemeinsamkeit fördern“, forderte er.
Auch der frühere EU-Kommissar und ehemalige Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg Günther H. Oettinger stellte klar: „Nur wenn der Strukturwandel in der Industrie gelingt und die Industriewertschöpfung hier bleiben kann, werden die Zentral-Osteuropäer mitmachen und auch andere Weltregionen den Green Deal als Vorbild begreifen.“ Er äußerte die Sorge, dass für den Green Deal vorgesehene Finanzmittel nicht streng genug an Auflagen geknüpft seien. „Die länderspezifischen Empfehlungen der EU-Kommission müssen scharf gestellt werden. Ansonsten werden einige Länder das Geld für laufende Ausgaben verwenden. Italien beispielsweise bräuchte eine Reformagenda, um seinen Standort zu ertüchtigen.“ Insgesamt zeigte Oettinger sich vorsichtig optimistisch, was das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2050 angeht: „Wir werden es schaffen, wenn die Forschung neue Technologien hervorbringt, die einen schnelleren Reduktionspfad ermöglichen“, lautete seine Prognose.