Online-Diskussionsveranstaltung
Mannheimer Wege zu einer neuen Mobilität

© ZEW
*Wegen der Corona Pandemie fand die Diskussion als Online-Veranstaltung statt.*
Die Corona-Krise und ihre gravierenden wirtschaftlichen Folgen stellen derzeit die größte gesellschaftliche Herausforderung dar. Die Bekämpfung der Pandemie hat auf der politischen Agenda oberste Priorität. Klimaexpertinnen und -experten erinnern indessen zu Recht daran, dass auch die Erderwärmung als Menschheitsproblem nichts von ihrer Dringlichkeit verloren hat. Aus diesem Anlass wurde im Rahmen des Dialogs zur Klimaökonomie zum Thema „Mannheimer Wege zu einer neuen Mobilität“ über Klimaschutz, die resultierenden Herausforderungen für die Verkehrswende vor Ort und den Umgang mit der aktuellen Krise diskutiert.
In der Runde am Mannheimer Leibniz Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) diskutierten ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, Miriam Caroli, Vorständin des Carsharing-Anbieters „Stadtmobil Rhein-Neckar AG“, Christian Specht, Erster Bürgermeister der Stadt Mannheim, und die Fridays For Future (FFF)-Aktivistin Laura Hober. Julia Wadle, Redakteurin der Lokalzeitung Mannheimer Morgen, moderierte. Fragen der rund 160 Zuschauerinnen und Zuschauer, die sich in den digitalen Diskussionsraum eingeschaltet hatten, belebten die Debatte. Diese Online-Veranstaltung des Themenschwerpunkts Klimaschutz: Instrumente und Politiken nach COP21 war die zweite einer Serie, die im Rahmen des Dialogs zur Klimaökonomie die Perspektiven unterschiedlicher Akteure in der Klimapolitik beleuchtet.
Der Diskussion vorangestellt war ein Impulsreferat des ZEW-Umweltökonomen Dr. Wolfgang Habla. Er erläuterte, dass Lärm, Stau, Luftschadstoffe und CO2-Ausstoß eine Verkehrswende erforderlich machen und stellte Überlegungen an, wie eine solche Wende vor Ort gelingen kann. Dabei komme dem Ausbau des ÖPNV große Bedeutung zu, der unter anderem durch eine CO2-Steuer oder eine City-Maut für Autos finanziert werden könnte. Und wo ließe es sich besser über Mobilität und mögliche Lösungskonzepte diskutieren als in Mannheim, der Stadt, in der das Laufrad und der Personenkraftwagen erfunden worden seien und die zudem eine der fünf deutschen Modellstädten für Stickstoffdioxidreduktion sei? Zentrale Fragen auf dem Podium waren daher an diesem Abend: Wie lässt sich die Verkehrswende in Mannheim und der Metropolregion vorantreiben? Wie kann die Verkehrswende finanziert werden? Welche Wege hat die Stadt Mannheim bereits eingeschlagen und wie zielführend sind diese?
Teureres Autofahren und preiswertere Alternativen?
Achim Wambach sprach zunächst die Knappheit des öffentlichen Raumes als einen zentralen Punkt in der Debatte um Verkehrswende und Klimaschutz an. Innerhalb der Städte werde die Übernutzung von Straßen und Parkplätzen sichtbar, weshalb sie gebührenpflichtig würden. Auch bezüglich des öffentlichen „Luft-Raums“ habe man anfänglich geglaubt, unendlich viel Platz für Feinstaub und Abgase zu haben. Angesichts der erschöpften Kapazitäten der Atmosphäre seien nun Gebühren wie eine CO2-Steuer oder eine City-Maut die logische Konsequenz. „Hier macht es Sinn, Preisinstrumente einzuführen“, sagte Wambach. Insbesondere für die City-Maut sieht er das Potenzial, mit ihrer Hilfe Verkehrsflüsse in die Innenstädte steuern zu können. Werde es denn in 20 Jahren noch Autos geben? Wambach geht davon aus. Es gehe nicht um die Abschaffung des Automobils, sondern vielmehr um die sinnvolle und klimagerechte Kombination verschiedener Fortbewegungsmöglichkeiten.
Auch für FFF-Aktivistin Laura Hober ist ein intelligentes Mobilitätsangebot der richtige Ansatz. Auch wenn sie nicht an die baldige Abschaffung des Autos glaube, sagte Hober, wünsche sie sich doch deutlich stärkere Investitionen in klimafreundliche Fortbewegungsmöglichkeiten, die zu einer zügigen Verringerung des Autoverkehrs beitragen könnten. Sie fordert daher, die Attraktivität des ÖPNV und des Fahrradfahrens zu erhöhen. Dazu sei es erforderlich, den ÖPNV weiter auszubauen und kostenlos anzubieten sowie den Ausbau der Mannheimer Radwege stärker voranzutreiben. „Wenn man durch die Stadt geht, hat man aktuell noch nicht das Gefühl, dass der Fokus der Stadt auf dem klimafreundlichen Verkehr liegt“, so Hober.
Corona und die Herausforderung für Lösungen vor Ort
Der Erste Bürgermeister Mannheims, Christian Specht, gestand weiteren Handlungsbedarf mit Blick auf eine Verkehrswende in Mannheim zu, wies aber auf die Vielzahl von Radschnellwegen und Fahrradstraßen in Mannheim und Umgebung sowie auf die drei in den vergangenen 20 Jahren neu entstandenen Stadtbahnlinien hin. Mittelfristig sei eine weitere Reduktion des Autoverkehrs in den Quadraten der Innenstadt geplant. In die Siedlungs- und Verkehrsplanung der weiteren Region würden Mobilitätsaspekte mittlerweile einbezogen, um die Wege der Bürgerinnen und Bürger zu den für sie wichtigen Angeboten sowie zu ÖPNV-Anschlüssen zu verkürzen. Momentan fehlten Corona-bedingt jedoch rund 200 Millionen Euro in der Stadtkasse. Dass ÖPNV-Attraktiveren und Carsharing jetzt nicht unter die Räder kämen, sei eine extrem große Herausforderung für die Stadt. „Wir brauchen einen finanziellen Rettungsschirm von Bund und Land, sonst können wir die Verkehrswende nicht so gestalten, wie es erforderlich ist“, erklärte Specht.
Miriam Caroli, Vorständin von „Stadtmobil Rhein-Neckar“, begrüßte zwar die bisherigen Maßnahmen der Stadt, insgesamt sprach sie sich aber für noch mehr Experimentierfreudigkeit aus. Auf die Frage, inwiefern die Corona-Krise die Lage verändert und die Prioritäten von der Bekämpfung des Klimawandels hin zur Eindämmung des Virus und der Stabilisierung der Wirtschaft verschoben habe, entgegnete sie, dass die Wirtschaft stets dem Gemeinwohl dienen solle. Man könne jedoch nicht von Gemeinwohl sprechen, wenn man sich selbst die Lebensgrundlage entziehe. Klimagerechtigkeit, Corona-Krise, Wirtschaft und soziale Fragen müssten immer konsequent zusammen gedacht werden. Christian Specht pflichtete dem bei und ergänzte, die Wirtschaft werde gebraucht, um mit Innovationen dem Klimawandel entgegenzuwirken und die Energiewende zu schaffen und gleichzeitig unser aller Wohlstand zu sichern.
Verkehr im Jahr 2050
„Wo wir unbedingt noch besser werden müssen, um die Verkehrswende herbeizuführen, ist die Erhebung und Auswertung von Daten“, erklärte Achim Wambach. Es gebe aktuell erstaunlich wenige und ein Ausbau der Datenbasis wäre enorm hilfreich. Wambachs Zukunftsvision für das Jahr 2050 beinhaltet daher eine bessere Datenverfügbarkeit, die ihm als Bürger unmittelbar nutze. „Ich gehe vor die Tür und eine digitale App schlägt mir vor, welche Verkehrsträger ich jetzt nutzen sollte, um möglichst schnell und bequem an den Ort zu kommen, zu dem ich möchte.“ Laura Hober und Miriam Caroli legen den Fokus der optimalen Mobilität im Jahre 2050 insbesondere auf eine autofreie Innenstadt mit sicheren und preiswerten alternativen Verkehrsträgern. Christian Specht wünscht sich eine verkehrssichere Stadt, in der alle wesentlichen Angebote entweder zu Fuß oder per Fahrrad erreichbar sind.