11. Forum Klimaökonomie

Virtuelle Roundtable Series

23 - 02 Feb - Mär 2022

Dem 11. Forum Klima­ökonomie „Der Finanz­­sektor als Klima­schützer? Das Poten­zial von Sustainable Finance“ am 3. März 2022 er­gän­zend voran­ge­stellt fanden am 23. und 24. Februar sowie am 2. März je­weils vir­tu­elle Dis­kussions­­runden statt. Diese Round­table Series dis­­ku­tiert in kleinen Run­den jeweils mit gela­denen Gästen Teil­­aspekte des Forums und lieferten Input für die Dis­kussion am 3. März. So berichteten Dr. Kai Lessmann, Dr. Franziska Schütze und Dr. Gunnar Gutsche auf dem Forum über die Kernergebnisse und -er­kennt­nisse aus den Roundtable-Dis­kussionen:

 


Kernaspekte des Roundtables „Mobilisierung von Investitionen: Reicht der CO2-Preis aus, um klimafreundliche Kapitalmärkte zu schaffen?" am 24. Februar 2022

  • Der CO2-Preis ist das Leit­ins­tru­ment der Klima­politik. Er ist der An­trieb für die Trans­for­mation der Real­wirt­schaft und zen­trale Voraus­setzung für klima­neutrale Inves­ti­tionen. Unsicher­heit über die Ent­wick­lung des CO2-Preises er­zeugen Inves­ti­tions­risiken. Auch volatile CO2-Preise wurden von Finanz­insti­tu­tionen als Risiko und Inves­titions­hemmnis genannt. Ebenso unter­strichen Unter­nehmen, diese erhöhten Risiken er­schwerten ihre Trans­for­mation hin zur Klima­neutra­lität. Ein ent­schie­denes Handeln des Staates wurde wieder­holt einge­fordert, etwa indem die öffent­liche Hand durch Garantien oder Differenz­verträge (carbon contracts for difference) einen Teil der Risiken über­nimmt.
     
  • Verminderte Risiken senken insbesondere die Kapital- und Inves­ti­tions­kosten. Beson­ders Tech­no­logien mit hohen Kapital­inten­si­täten würden dabei beson­ders pro­fi­tieren. Zur Sen­kung der Kapital­kosten wurde auch die An­passung von Eigen­kapital­anfor­de­rungen dis­kutiert. Hierbei sei jedoch Vor­sicht ge­boten: Statt diese generell abzu­senken, sollten Nach­haltig­keits­bewer­tungen durch Ratings ein­ge­führt werden. Das gerin­gere Risiko nach­hal­tiger Inves­ti­tionen würde über die Ratings ziel­gerich­teter zu gerin­geren Eigen­kapital­anfor­derungen führen.
     
  • Für energie- und emissions­intensive Unter­nehmen sind weniger hohe Kapital­kosten als hohe Input­kosten ent­schei­dend. Schnell stei­gende Energie­kosten redu­zieren hier die Spiel­räume, die Um­stellung der eigenen Prozesse hin zu Klima­neutra­lität aus dem bis­herigen Geschäft zu finan­zieren. Aus Sicht dieser Unter­nehmen be­schränkt der aktuelle CO2-Preis die Finanz­mittel für die Trans­for­mation und gefähr­det ihre Wett­bewerbs­fähigkeit während ihrer Trans­for­mation.

Interview mit Dr. Kai Lessmann (PIK Potsdam)


Kernaspekte des Roundtables „Den Blick in die Zukunft wagen: Vorausschauende Berichterstattung als Wegbereiter einer klimaneutralen Wirtschaft?" am 2. März 2022

  • Die Diskussion hat gezeigt, dass zwar immer mehr Nach­haltig­keits­bericht­er­stattung statt­findet, diese aber oft noch sehr un­ein­heit­lich, nicht veri­fi­zier­bar und teil­weise auch nur quali­tativ und selektiv ist. Studien zeigen einen posi­tiven Effekt von ver­pflich­tender Be­richt­erstattung auf die Emissions­reduk­tion von Unter­nehmen. Die mit einer Offen­legungs­pflicht ein­her­gehende Ver­ein­heit­lichung von Nach­hal­tig­keits­bericht­erstattung könnte ein wert­voller Hebel sein, um auch Unter­nehmen zu erreichen, die in diesem Bereich bisher weniger gut auf­gestellt sind.
     
  • Immer mehr Unter­nehmen aus Finanz- und Real­wirt­schaft bekennen sich zum Ziel der Klima­neutra­lität, vielen fehlt aber nach wie vor eine Strategie und eine konkrete Vor­stellung davon, welche Risiken, Chancen und Inves­ti­tionen damit einher gehen. Dies liegt auch daran, dass es bisher an geeig­neten Szenarien für den Einsatz im unter­nehmens­spezi­fischen Kontext mangelt und auch die Politik an vielen Stellen daran scheitert, die not­wen­dige Sicher­heit über zukünf­tige Rahmen­bedin­gungen zu ver­mitteln. Die zur Ver­fügung stehenden Sze­narien, bei­spiels­weise die des Network for Greening the Finan­cial System (NGFS), differen­zieren nicht aus­reichend nach regio­nalen und sekto­ralen Gesichts­punkten. Es bedarf eines Bünd­nisses aus staat­lichen und nicht-staatlichen Ak­teuren, das die Wirt­schaft bei der Aus­ge­staltung unter­nehmens­spezi­fischer Tran­sitions­pläne unter­stützt. Daher ist es wichtig, voraus­schauende Indi­ka­toren der Nach­hal­tig­keits­bericht­er­stattung zu ver­bessern. Daran an­schließend ergibt sich die Not­wen­digkeit, die Tran­sitions­pläne während der Um­setzungs­phase zu veri­fi­zieren.
     
  • Insgesamt birgt eine zukunfts­gerichtete Form der Nach­haltig­keits­bericht­er­stattung das Poten­zial, einen viel größeren Teil der Wirt­schaft mit nach­haltigen, etwa an öko­lo­gischen Kriterien aus­gerichteten, Finan­zierungs­instru­menten zu er­reichen. Dies kommt vor allem Unter­nehmen in den Sek­toren zu Gute, die vor den größten Trans­for­ma­tions­aufgaben stehen, etwa in der Schwer­industrie.

Interview mit Dr. Franziska Schütze (DIW Berlin)


Kernaspekte des Roudntables „Nachhaltigkeit im privaten Portfolio: Ist Transparenz der Schlüssel zu mehr nachhaltigen Investitionsentscheidungen?" am 23. Februar 2022

  • Anleger:innen sind zunehmend an nach­haltigen Geld­an­lagen interessiert, haben aber oft keine oder nur geringe Kennt­nisse über nach­haltige Geld­anlagen. Die zwar er­wünschte Trans­parenz stellt aller­dings nicht die größte Barriere bei der nach­haltigen Geld­anlage dar, sondern viel­mehr ihre Kom­plexität. Der Zeit­aufwand bei der Suche nach adä­quaten nach­haltigen Anlage­produkten wird als zu hoch empfunden. Prinzi­piell sind ak­tuelle poli­tische An­sätze (z.B. im Rah­men von der Markets in Financial Instruments Directive (MiFID) II, der Offen­legungs­ver­ordnung, der EU-Taxonomie, oder die Ein­führung von staat­lichen Nach­haltig­keits­labels) zur Über­win­dung dieser Hürden ge­eignet.
     
  • Die von der MiFID II vor­gege­bene Frage nach Nach­haltig­keits­präfe­renzen der An­leger:innen bei der Anlage­beratung zu nach­haltigen Geld­anlagen hat aus Sicht der Beratungs­praxis noch viele Bau­stellen: Die Imple­men­tierung müsse aus einem Guss er­folgen hin­sicht­lich der zeit­lichen, aber auch der inhalt­lichen Ab­stimmung der Maß­nahmen. Wie die Dis­kussion zur EU-Taxonomie ver­deut­liche, bestehe kein ein­heit­liches Ver­ständnis von Nach­haltig­keit, auch nicht auf Seiten der Anleger:innen. Der ent­stehende Zu­wachs an Kom­plexität im ohne­hin bereits auf­wän­digen Beratungs­prozess könne hier zu einem grund­sätz­lichen Ab­raten von nach­haltigen Pro­dukten führen. Auch seien weder Berater:innen noch EDV der­zeit in der Lage, die vor­gese­henen Maß­nahmen um­zu­setzen.
     
  • Mindest­standards und Labels könnten ins­beson­dere eine Hilfe für Anleger:innen dar­stellen, die keine Anlage­beratung bei der Bank wahr­nehmen, da sie sowohl die Trans­parenz als auch das Ver­trauen der Anleger:innen erhöhen. Tatsächlich haben Anleger:innen starke Präfe­renzen für Labels, während der Kenntnis­stand über deren Inhalt eher gering ist. Aus Gründen des Ver­braucher­schutzes sei vor blindem Ver­trauen in Nach­haltigkeits­label zu warnen. Es bestehe die Gefahr, dass Anleger:innen diese mit anderen finan­ziellen Aspekten, wie einem gerin­geren Risiko von gelabelten Pro­dukten, ver­knüpfen. Wie im Hinter­grund­papier beschrieben, könnten Anleger:innen solche Label auch als Heuristiken ver­wenden, falls der Anlage­prozess zu komplex ist – dabei jedoch andere Anlage­ziele und wichtige Aspekte bei der Geld­anlage (wie Gebühren) außer Acht lassen.
     
  • Zusammen­gefasst zeigt sich: Trans­parenz ist wichtig, muss aber sinn­voll gestaltet werden. Nicht wünschens­wert sind zu viele und kom­plexe Infor­ma­tionen, die so­wohl die Beratungs- als auch Nachfrage­seite ver­wirren. Wichtiger ist zunächst eine Erhöhung der Kennt­nisse über nach­haltigen Geld­anlagen, die so­genannte sustainable financial literacy, sowohl bei Anleger:innen als auch bei Berater:innen.

Interview mit Dr. Gunnar Gutsche (Universität Kassel)